Mit dem Historiker und Autor Karsten Krampitz habe ich über den Prinz von Preußen, die Forderungen nach Entschädigung der deutschen Adelsfamilie und die Volksinitiative »Keine Geschenke den Hohenzollern« geschrieben.

„Das Überflüssige zuerst: Die Geschichte der Hohenzollern ist nicht zuletzt eine Geschichte des Bieres. Auf der Internetseite der Königlich Preußischen Biermanufactur lesen wir, dass die Rolle des Bieres am Hof der Hohenzollern bislang nur in Ansätzen erforscht ist. Dennoch werde deutlich, »dass diesem Getränk als Genuss- und Nahrungsmittel auch in Brandenburg-Preußen eine große Bedeutung zukam«. Schon Friedrich Wilhelm I. sei ein großer Freund und Förderer deutscher Bierkultur gewesen. Friedrich dem Großen, seinem Sohn, habe er sogar aufgetragen, das Brauereihandwerk zu lernen. Und in der Kaiserzeit hätten die Herren am preußischen Hof gerne einen »Schlummertrunk« zu sich genommen … – Vor dem Hintergrund, dass einer der beiden Brauereieigentümer, namentlich Georg Friedrich Prinz von Preußen, derzeit in 80 Fällen vor Gericht gegen Journalisten, Politiker und Historiker prozessiert, sei hier eine rhetorische Frage vorsichtig formuliert: Kann es sein, dass der Deutsche Kaiser im heißen August 1914 so besoffen war, dass er Russland, Frankreich und Belgien den Krieg erklärte? Oder anders gesagt: Ist es denkbar, dass sein Ururenkel ein direkt unternehmerisches Verhältnis zur Geschichte haben könnte?

Georg Friedrich Prinz von Preußen, geboren 1976 in Bremen, möchte mit der Geschichte seiner Herkunft Geld verdienen, viel Geld. Dazu wird die Geschichte gefiltert. Was dabei herauskommt, ist gewissermaßen historisches Dünnbier, schal und muffig, mit dem man nach Belieben weichzeichnen kann. Und so wie der Alte Fritz zum Bierkenner verklärt wird, will im anderen Zusammenhang eine neue Erzählung die Hohenzollern und ihre Rolle beim Untergang der Weimarer Republik in ein besseres Licht rücken – weil es sonst vom Staat keinen Cent gibt.

Im aktuellen Streit um Ausgleichszahlungen für die nach sowjetischem Besatzungsrecht enteigneten Immobilien sowie um Rückgabe zahlreicher Gemälde, Skulpturen, Möbel, Bücher etc. – insgesamt liegt der Wert wohl im dreistelligen Millionenbereich – offenbart der Brauereibetreiber aus Potsdam das gleiche Geschichtsverständnis wie beim Verkauf seiner Biermarke: Nicht das tatsächlich Geschehene ist relevant, sondern woran »Seine Königliche Hoheit« erinnern will. Dem Großvater des Potsdamer Bierbrauers, namentlich Wilhelm von Preußen, ehedem bis zur unrühmlichen Flucht seines Vaters deutscher Kronprinz, wird eine Bedeutungslosigkeit angedichtet, die jeder seriösen Geschichtsforschung spottet. Denn im entgegengesetzten Fall, so die Potsdamer Verwaltungsrichter im gegenwärtig ruhenden Verfahren zur Auffassung kämen, dass der damals bevollmächtigte Vertreter des exilierten Ex-Kaisers der Nazidiktatur »erheblichen Vorschub« geleistet habe – und dafür spricht nach Ansicht der meisten Experten sehr viel! – erlöschen automatisch sämtliche Rückerstattungsansprüche für das von der Sowjetischen Militäradministration (SMAD) enteignete Vermögen.

Zur Frage, ob die in der Novemberrevolution 1918 gestürzte preußische Königsfamilie der Nazidiktatur »erheblichen Vorschub« geleistet hat – so die Schlüsselformulierung im Ausgleichsleistungsgesetz von 1994 -, gibt es keinen grundsätzlichen Streit unter Historiker*innen – auch wenn sich immer wieder promovierte Lohnschreiber dafür hergeben, anderes zu behaupten, während kritische Stimmen mit einer Flut von Abmahnungen bedacht werden. (Und offenbar gibt es auch keine preußischen Tugenden mehr, jedenfalls nicht im »Haus Hohenzollern« – von wegen: »Lerne leiden, ohne zu klagen.«) Winfried Süß, Abteilungsleiter am Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam und einer der verklagten Historiker, sagt: »Hier werden tatsächlich Grundfragen der deutschen Zeitgeschichte vor Gerichten verhandelt.«“

Der ganze Artikel vom 23.04.2021 steht online auf neues deutschland.