Ein Roman, der mich packt, stellt mein Denken auf den Kopf. Tanzende wecken in mir Emotionen. Ein Film lässt mich neue Welten entdecken. Anders gesagt: Kunst und Kultur können aufrütteln, Perspektiven verrücken und Horizonte erweitern. Das ist gut so. Und das soll so bleiben. Im Parlament und außerhalb gibt es allerdings spürbare Übergriffe auf die Freiheit der Kunst. Marc Jongen, kulturpolitischer Sprecher der AfD-Fraktion im Bundestag, sprach von der »Entsiffung des Kulturbetriebs«. Er meint, was er sagt. Seine sprachliche Entgleisung wurde mancherorts zur realen Gewalt: Rechte Akteure störten Veranstaltungen, Intendantinnen und Intendanten erhielten Morddrohungen, Künstlerinnen und Künstler wurden beschimpft. Dagegen stehen DIE VIELEN auf. Im November 2018 verbündeten sich Kunst- und Kultureinrichtungen quer durch Deutschland. In Ost und West gleichermaßen. Sie verpflichten sich, solidarisch untereinander zu sein, »in der Überzeugung, dass die beteiligten Häuser den Auftrag haben, unsere Gesellschaft als eine demokratische fortzuentwickeln«, wie es in der Berliner Erklärung der VIELEN heißt.
Mir selbst begegneten DIE VIELEN erstmals im Juni 2018. Sie hatten zu einer im wahrsten Sinne glänzenden Demonstration – mit goldener Rettungsdecke – gegen rechts eingeladen. Seither entwickelten sich DIE VIELEN zu einer bundesweiten Plattform mit verbindlichen Absprachen. Sie sagen keine Inszenierung oder Ausstellung ab, lassen sich nicht reinreden und einschüchtern, sie nehmen das Mikrofon in die Hand und äußern sich laut, offen und öffentlich. Mit dabei sind kleine und große Theater, Kulturzentren, Opern-, Konzert- und Musicalhäuser, Galerien und Festivals. Es geht um Offenheit, um Toleranz, um ein solidarisches Miteinander. Kunst ist eine Brücke im Verstehen und Verständnis. Sie ist frei. Sie ist provokativ. Sie verstört. Sie ist schön. Sie mischt sich ein. Das soll sie, das darf sie, das muss sie. Ohne Übergriffe und Eingriffe von außen. DIE VIELEN – davon kann es in einer Demokratie gar nicht genug geben.
Kommentar von Simone Barrientos, erschienen in Clara, Ausgabe 47, 29. Januar 2019