Menschenwürde statt Abschiebehysterie!

Flüchtlinge haben keine Stimme bei der Wahl zum Bayerischen Landtag. Bitte bedenken Sie deren Situation bei Ihrer Wahlentscheidung

Die CSU-geführte bayerische Staatsregierung hat in den letzten Jahren massiv in Abschreckung und Abschiebung investiert. Die Erstaufnahmeeinrichtungen für neu ankommende Flüchtlinge und die Transitzentren wurden in „AnKER-Zentren“ umgewandelt. Flüchtlinge können dort zeitlich unbegrenzt bis zur Ausreise oder Abschiebung festgehalten werden. Nur wer vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge anerkannt wird oder ein Aufenthaltsrecht vor Gericht erstreitet, darf diese Sammellager verlassen.

Die Flüchtlinge sind dort in Mehrbettzimmern hinter hohen Zäunen untergebracht, rund um die Uhr kontrolliert von Sicherheitsdiensten und Polizei. Sie dürfen nicht arbeiten, bekommen keine Deutsch- und Integrationskurse und dürfen Stadt oder Landkreis nicht verlassen. Sie werden in die Abhängigkeit von Sozialleistungen gezwungen, die mehrheitlich als Sachleistung gewährt werden. Kinder und Jugendliche dürfen nicht am regulären Schulunterricht teilnehmen. Der Zugang zu Beratung und anwaltlicher Vertretung ist stark eingeschränkt, die Anerkennungsquoten in Bayern sinken deshalb teils deutlich unter die in anderen Bundesländern. Eigene Integrationsleistungen werden unmöglich gemacht.

Die Arbeit der zentralen Abschiebebehörden (ZAB) mit rund 1000 Mitarbeiter*innen, die im neuen Landesamt für Asyl und Abschiebungen aufgegangen sind, zielt ausschließlich auf die Vorbereitung und Durchführung von Abschiebungen. Eine Abwägung zwischen Integrationsleistung und Durchsetzung der Ausreise findet in diesen Behörden nicht statt. Die ZAB unterstellt stattdessen einer großen Zahl von Flüchtlingen eine schlechte Bleibeperspektive und setzen sie unter Druck auszureisen. Aufenthaltsverfestigung ist nicht gewollt, als Erfolg gelten ausschließlich Ausreise oder Abschiebung. Den massiven Abschiebedruck bekommen die Flüchtlinge direkt zu spüren, selbst vor der Abschiebung hochschwangerer Frauen und der Trennung von Familien schrecken die ZABs nicht zurück.

Die sprachliche und berufliche Förderung von Flüchtlingen spielt nur noch eine randständige Rolle. Das lobenswerte bayerische Modell der Berufsintegrationsklassen gibt es zwar noch, aber eine notwendige Weiterentwicklung und Qualitätssteigerung scheitert an der restriktiven Haltung des Innenministeriums. An Schulen und Berufsschulen fragen sich junge Flüchtlinge, ob sich das Lernen noch lohnt, wenn ihnen die Ausländerbehörde die Aufnahme einer Ausbildung verbietet.

Viele Flüchtlinge werden durch die dominierenden Arbeits- und Ausbildungsverbote und begleitende Drohungen mit Abschiebung verunsichert. Die bundesgesetzliche 3+2-Regelung, die es Flüchtlingen auch nach Ablehnung ihres Asylantrags ermöglicht, eine Ausbildung aufzunehmen und sich darüber ein Aufenthaltsrecht zu erwerben, wird in Bayern unterlaufen. Ausbildungsbetriebe und Arbeitgeber*innen ziehen sich zurück, zu aufreibend ist der bürokratische Aufwand mit den Ausländerbehörden.

Die anhaltende Verunsicherung vieler Flüchtlinge verhindert, dass Traumatisierung und psychische Wunden heilen können. Perspektivlosigkeit und Angst vor Abschiebung lassen die Zahl der Suizide und Suizidversuche ansteigen. Bei jeder Sammelabschiebung verschwinden zahlreiche Flüchtlinge, sie tauchen unter oder flüchten weiter in andere EU-Staaten in der Hoffnung, dort Schutz und eine Perspektive zu erhalten. Diese Staaten schicken einen Teil der Flüchtlinge wiederum im Rahmen des Dublin-Verfahrens zurück und steigern so die Zahl der sinnfreien innereuropäischen Abschiebungen.

Nicht nur auf den Flüchtlingen, auch auf Ehrenamtlichen, Lehrkräften, Sozialberatungen und anderen mit Integration befassten Stellen lastet die bayerische Politik als eine immer schwerer zu tragende Bürde. Wie kann man Flüchtlinge so unterstützen, dass sie die Unterbringung in Sammellagern für viele Monate und Jahre überstehen, ohne psychisch Schaden zu nehmen? Wie kann man ihnen eine sinnvolle Perspektive für ihr Leben aufzeigen? Wie kann man sie motivieren, Deutsch zu lernen oder einen Beruf, wenn die Behörden dann die Arbeit nicht erlauben? Und wie soll man ihnen vermitteln, warum ihre Situation in Bayern so viel schlechter ist als in anderen Bundesländern?

Anstatt Millionen von Steuergeldern für den Aufbau und Betrieb von Sammellagern, für Sicherheitspersonal und Abschiebebehörden zu vergeuden, wäre es jetzt an der Zeit, endlich Teilhabe zu fördern und in eine gelingende Integration zu investieren. Denn die Zuwanderung der Flüchtlinge ist nicht das Drama, das die Staatsregierung daraus macht. Ein Großteil der abgelehnten Flüchtlinge wird trotz aller Abschiebehysterie über viele Jahre in Bayern bleiben. Sie brauchen schnell Integrationskurse, um sich verständigen zu können und sich in der Gesellschaft zurechtzufinden. Sie sollen arbeiten und Ausbildungen aufnehmen dürfen und sich so ihren Lebensunterhalt selbst verdienen zu können. Sie brauchen Unterstützung beim Aufbau von Perspektiven für ihr Leben in Bayern durch geeignete Beratungsstellen.

Weil Flüchtlinge bei der Landtagswahl nicht wählen dürfen und sich deshalb nicht selbst für ihre Interessen einsetzen können, appellieren wir an Sie, die bayerischen Wähler*innen:

Bitte berücksichtigen Sie bei ihrer Wahlentscheidung den gesellschaftlichen Frieden und die Würde aller Menschen in Bayern. Geben Sie ihre Stimme nicht denjenigen, die Flüchtlingen ablehnend und feindselig gegenüberstehen und sie nur als Objekte für Abschreckung und Abschiebung betrachten. Achten Sie darauf, dass Sie Parteien wählen, die Teilhabe und Integration zur zentralen Gestaltungsaufgabe der Politik machen.

Der Bayerische Flüchtlingsrat hat diesen Appell initiiert. Hier finden Sie mehr Informationen.

Sie können auch selbst Unterschriften für den Appell sammeln.

Bitte schicken Sie die Listen bis zum 16. September 2018 zurück an Bayerischer Flüchtlingsrat, Augsburgerstr. 13, 80337 München. Appell als pdf | Unterschriftenliste als pdf