Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es schon gehört: Mit zwei Anträgen will die AfD die deutsche Sprache retten. Ich will mich mit dem Antrag beschäftigen, der fordert, dass 2021 zum Jahr der deutschen Sprache erklärt wird.
Gefordert werden Symposien und Festveranstaltung. Gefordert wird – ich zitiere aus dem Antrag –, „im Rahmen dieses Programms mit Bürgern und Wissenschaftlern in einen Dialog über Gegenwart und Zukunft der deutschen Sprache einzutreten“.
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Wäre doch schön!)
Bürger und Wissenschaftler – angedacht sind offenbar reine Männerrunden.
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Generisches Maskulinum!)
Anlass soll der Beginn der Bibelübersetzung durch Martin Luther vor 500 Jahren sein. Ist Ihnen irgendwie recht plötzlich eingefallen. Denn um das, was Sie fordern, noch in diesem Jahr zu realisieren, hätte es natürlich Vorlauf gebraucht – wenn es denn ernst gemeint gewesen wäre. Ist es aber nicht; wissen wir. Ihnen geht es nicht um Sprache und Kultur.
(Beatrix von Storch [AfD]: Sondern um Hass und Hetze!)
Ihnen geht es um Deutschtümelei.
Worte werden zu Taten – das zeigte sich beim Angriff auf die Synagoge in Halle genauso wie bei den rassistischen Morden in Hanau. Das zeigte sich auf den Stufen des Bundestages im August genauso wie auf den Stufen des Kapitols vor wenigen Tagen. Worte werden zu Taten.
(Karsten Hilse [AfD]: Ganz genau! Deutschtümelei auf den Stufen des Kapitols!)
– Ihre Worte werden zu Taten, und da ist es ganz egal, in welcher Sprache man spricht; entscheidend ist, welche Worte man wählt.
(Karsten Hilse [AfD]: Da kriegen Sie nicht mal einen Beifall aus der eigenen Fraktion!)
Victor Klemperer belegte dies eindrücklich in seinem Standardwerk „LTI“, seiner Analyse der, wie er es nennt, Sprache des Dritten Reiches; dort bedienen Sie sich. Victor Klemperer kommt darin zu dem Schluss, dass Menschen weniger durch einzelne Reden beeinflusst werden als durch die ständige stereotype Wiederholung der immer gleichen völkischen Begriffe, und genau das tun Sie.
Das zeigt sich auch, wenn man sich anschaut, welche Begriffe in den letzten Jahren zum Unwort des Jahres gekürt wurden – alles Begriffe, die in Ihrem Vokabular einen Stammplatz haben. Von „Klimahysterie“ bis „Coronadiktatur“, von „Lügenpresse“ bis „Volksverräter“: Sie nutzen Sprache, um zu diffamieren und zu beleidigen. Sie nutzen Sprache für Fake News und Verleumdungen. Sprache ist Ihnen Transportmittel für Hass und Hetze. Ihre Worte werden zu Taten.
Aber zurück zum Antrag und seiner Begründung. Die Gefahr für die deutsche Sprache geht laut AfD – wir hörten es schon – von Hipstern aus, die ihren Kaffee auf Englisch bestellen – that’s a big problem; really –, von Türken, die mit Akzent sprechen – ick weeß ooch nich; Berliner dürfen aber noch berlinern, immerhin –, und – wen wundert’s ? – von geschlechtergerechter Sprache. Geschlechtergerechte Sprache zu nutzen, ist aber nichts anderes als eine Frage von Respekt und Anstand.
(Beatrix von Storch [AfD]: Das ist einfach Blödsinn!)
Damit kennen Sie sich nicht aus; das wissen wir auch.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Um mit einem Zitat von George Eliot zu enden: „Es gibt niemanden, der sich einer Frau gegenüber arroganter, aggressiver oder verächtlicher verhält als ein Mann, der um seine Männlichkeit bangt.“
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)