Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Klar sind 30 Jahre Einheit ein Grund zum Feiern, aber bitte auch Zeit für einen Blick zurück im Zorn.

(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Manfred Grund [CDU/CSU]: Das gleich im ersten Satz!)

Sehr viele Wunden wurden geschlagen. Einen regelrechten Kahlschlag gab es im Bereich Kunst und Kultur.

Die Unterstellung, dass DDR-Künstlerinnen und -Künstler bloß Staatskunst produziert hätten, war und ist Unsinn und bleibt beleidigend. Die Ignoranz gegenüber der DDR-Kunst ist offensichtlich. So zeigte die von Angela Merkel am 30. April 2009 eröffnete Ausstellung „60 Jahre – 60 Werke. Kunst aus der Bundesrepublik Deutschland von 1949 bis 2009“ kein einziges Werk, das in der DDR entstanden ist – keins! Was für eine Respektlosigkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Schauen wir auf die Literatur: Nach der Wende wurde tonnenweise DDR-Literatur zu Makulatur. Um die 80 Millionen Bücher wurden auf den Müll gekarrt. Daniela Dahn formuliert treffend: „Die Erinnerung an DDR-Kultur wurde so Gedanke um Gedanke ausgelöscht.“

Vernichtet wurden auch die Bücher von Schriftstellerinnen und Schriftstellern, die vor dem Mauerfall in Ost und West erschienen, und zwar in hohen Auflagen auf beiden Seiten. Nach der Wende wollte niemand mehr ihre Manuskripte. Da wurde nicht nur Literatur vernichtet, da wurde Geschichte begraben, da wurden Biografien zerstört.

Wer im vereinten Lande erfolgreich sein wollte, der verschwieg am besten seine Ostherkunft. Das zumindest hat sich geändert. Da gibt es inzwischen Stolz auf DDR-Sozialisation und -Geschichte.

Die DDR hat sich Kultur geleistet, schreibt Gerd Dietrich in seiner nun endlich vor einem Jahr erschienenen „Kulturgeschichte der DDR“, und er belegt das eindrucksvoll mit Zahlen und Fakten. Seit der Vereinigung mussten nahezu zwei Drittel aller Theater dichtmachen. 90 Prozent der öffentlichen Bibliotheken wurden abgewickelt. Bei Film und Fernsehen spielten sich Dramen ab. Dieser Kahlschlag zog sich durch alle Sparten von Kunst, Kultur, Medien und auch Wissenschaften. Er traf gerade die, die die Freiräume in der DDR erweitert haben. Klaus Staeck meinte 1989: „Mag die DDR jetzt auch arm dran sein, sie ist reich durch ihre Künstler, die ja nicht durch Zufall die Reform-Bewegung entscheidend mitgeprägt haben.“

Wer die Kultur der DDR verleugnet, der will auch nicht, dass wir endlich beginnen, die gesamtdeutsche Geschichte zu erzählen. Wir brauchen aber eine gemeinsame Erinnerungskultur.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Übrigens: Ich habe mir als junge Frau nicht vorstellen können, je wieder in einer deutschen Republik mit einem § 218 zu leben. Was für ein Rückschritt!

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)