Der Kampf um eine angemessene, schnelle und unbürokratische Unterstützung für Kunst- und Kulturschaffende ist noch lange nicht vorbei. Beschlossen wurde hingegen die Überführung der Stasi-Unterlagenbehörde ins Bundesarchiv. 

Stasi – Die Fokussierung auf Täter und Opfer genügt nicht

Im Bundestag wurde nach einem langen Prozess und vielen Diskussionen die Überführung der Stasi-Unterlagen ins Bundesarchiv beschlossen. Unterm Strich ist das eine gute Sache: Am Archivstandort werden nämlich nicht nur die Akten von Stasi und SED, sondern auch Verwaltungsakten, Nachlässe, das Archiv der DDR-Opposition und vieles mehr  gleichberechtigt nebeneinander stehen: Es ist eine Chance, den Blick über die vereinfachende und falsche Gleichsetzung von DDR mit Stasi und DDR, von Opfern vs. Täter:innen, hinaus zu weiten. Ausführlich diskutiert all das Karlen Vesper in neues deutschland.

Kultur und Corona

Alles andere als zufrieden bin ich hingegen mit dem, was die Bundesregierung für die Kunst- und Kulturschaffenden bisher getan hat. Unbürokratisch, umfassend und flächendeckend sollten sie sein, die Hilfen für die Kultur- und Veranstaltungswirtschaft, von einer “Neustarthilfe für Soloselbständige” ist die Rede. Tatsächlich produzieren die Überbrückungshilfen III bürokratischen Irrsinn, Ausschlüsse und eine kopflose Corona-Politik ohne echte Perspektive. So erhalten Solo-Selbständige, die bisher unter Umständen noch keinerlei Hilfen erhalten haben, einen einmaligen Zuschuss von 25 Prozent des durchschnittlichen monatlichen Umsatzes im Jahr 2019. Das bedeutet für eine Malerin, die mit laut Meldungen der Künstlersozialkasse keine 12.000 Euro im Jahr verdient, maximal 1750 Euro Neustarthilfe, für den Opernsänger mit weniger als 11.200 Euro Jahresumsatz maximal 1633 Euro und für experimentelle Künstler:innen mit nur 9100 Euro Jahresumsatz maximal 1327 Euro. Da wäre ein unbürokratischer, fiktiver Unternehmerlohn, wie von der Linksfraktion gefordert, die bessere Alternative. Meine ausführliche Kritik zu November- und Wirtschaftshilfen könnt ihr hier nachlesen.

Übrigens: Auch ein Zwischenstand bei der “Kultur-Milliarde” steht noch aus:  Bis zum 10. Oktober sind gerade einmal 47 Millionen Euro der NEUSTART KULTUR-Gelder ausgezahlt worden. Wir wissen bisher noch nicht, wie viel der Hilfen inzwischen tatsächlich bei den Betroffenen angekommen ist. Und die Antwort auf meine Kleine Anfrage zu diesem Thema lässt auf sich warten

Um dennoch möglichst genau zu wissen, wie die Lage im Bereich Kunst und Kultur ist, tausche ich mich – so gut das unter den gegebenen Umständen möglich ist – weiter mit Kulturschaffenden und Verbänden aus. So haben mein Kollege Michel Brandt und ich uns mit Johannes Lange, Anica Happich und Friedrich Pohl vom Ensemble Netzwerk, einer Interessenvertretung von Theaterschaffenden, getroffen. Klar ist: Basisarbeit und gewerkschaftliche Vertretung ist gerade jetzt notwendig, damit Künstler:innen mit ihren Nöten und Bedarfen gehört werden!

Infektionsschutzgesetz: Attacken von rechts

Im Bundestag wurde über das Infektionsschutzgesetz abgestimmt. Die Folgen für meine parlamentarische Arbeit waren enorm. Zuerst wurden unsere Server von Massen-Mails gegen das Infektionsschutzgesetz lahmgelegt. Dann beschimpften Rechte und Coronaleugner:innen im Bundestag Abgeordnete und versuchten, in Büros einzudringen. Es scheint ganz so, dass dahinter u. a. der Reichsbürger-nahe AfD-Abgeordnete Udo Hemmelgarn steckt.

Schlussendlich hat meine Fraktion gegen den Gesetzesvorschlag gestimmt – weil die Bundesregierung den Forderungen nach einer stärkeren parlamentarischen Beteiligung bei den Corona-Verordnungen nicht nachgekommen ist. Die ausführliche Begründung lässt sich hier nachlesen

Rechte europäischer Minderheiten

Im Plenum habe ich zur Bürgerinitiative  „Minority Safe Pack“ (MSPI) gesprochen.  (Auf dem Foto zu sehen sind u. a. Vertreter:innen der Föderalistische Union Europäischer Volksgruppen, kurz FUEN.) Die hatte über eine Million Unterschriften gesammelt, um gegenüber der Europäischen Kommission Vorschläge zur Förderung und zum Schutz von Minderheiten in Europa stark zu machen.

Und das ist ein großer Erfolg: Sprachen von europäischen Minderheiten drohen auszusterben, und das wäre ein nicht wiedergutzumachender kultureller Verlust: Das betrifft die Sprachen von 8 Prozent der europäischen Bevölkerung, also um rund 50 Millionen Menschen, die sie sprechen! Die Initiative setzt auch ein wichtiges Signal gegen den Antiziganismus: Sinti und Roma werden in Europa diskriminiert. Es gibt unzählige erschütternde Beispiele für Hass und Hetze gegen diese Bevölkerungsgruppe. 

A propos: In der Wochenzeitung der Freitag habe ich anhand von zwei Neuerscheinungen über Antiziganismus in der DDR geschrieben – und wie Diskriminierung von Sinti und Roma dort verschwiegen wurde.

Wer Weihnachtsgeschenke sucht, dem lege ich daher den Bildband „Sinti in der DDR: Alltag einer Minderheit“ nahe, der mir eine ganz neue Perspektive eröffnet hat – es ist die erste Publikation zu diesem Thema überhaupt! (Text: Simone Trieder, Fotos: Markus Hawlik-Abramowitz, Mitteldeutscher Verlag).