Seit Februar 2014 führen die Länder Berlin und Brandenburg sowie die Bundesregierung geheime Verhandlungen mit einem ehemaligen Adelshaus. Gedroht wird mit dem Umzug von Kunst in öffentlicher Hand, Historikerinnen, Historiker, Journalisten und Journalistinnen erreichen Abmahnungswellen. Was steckt dahinter?

Im Zentrum steht die sogenannte Erbengemeinschaft der Hohenzollern, also der Nachkommen der früheren preußischen Kaiserfamilie. Sie pocht auf Entschädigung. Für Enteignungen, die es nach 1945 umfangreich gegeben hat. Damals schätzte die sowjetische Militäradministration den deutschen Adel als zutiefst verstrickt in den Aufstieg des Nationalsozialismus und die Etablierung des verbrecherischen Regimes ein. Zurecht.

Die Forderungen stützen sich auf das Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz (EALG) von 1994. Darin war gesetzlich festgelegt worden, dass, wer dem Faschismus „erheblichen Vorschub“ geleistet hatte, auch nach der Wiedervereinigung keine Restitutionen zu erwarten habe. Und in der Geschichtswissenschaft ist seit längerer Zeit völlig unstrittig, dass die Hohenzollern und ihr ehemaliges Oberhaupt Kronprinz Wilhelm, der Sohn des letzten deutschen Kaisers, maßgeblich auf der Seite des NS-Regimes standen.

Die in Princeton forschende Historikerin Karina Urbach hat jüngst neue Quellen ausgewertet, die die nationalsozialistische Gesinnung der Hohenzollern belegen. Selbst der Historiker Christopher Clarke, der ihnen in einem von den Hohenzollern selbst beauftragten,  geleakten Gutachten einst zur Seite sprang, hat sein Urteil inzwischen revidiert. In der New York Review of Books schrieb Clarke, er betrachte den abgedankten Kronprinzen Wilhelm als „gewalttätigen, ultrarechten Charakter“, der mit Hitler sympathisierte und zur „finalen Abrechnung mit der deutschen Linken drängte“. Juristisch scheint der Fall also klar.

Dass Bund und Länder trotzdem geheime Verhandlungen mit den Vertreterinnen und Vertreter der Hohenzollern führen, liegt wohl auch an den Erpressungsversuchen der Preußen-Nachfolgerschar. Denn für den Fall, dass die Entschädigungen ausbleiben, droht die Erbengemeinschaft damit, Kunstwerke aus zahlreichen Museen der öffentlichen Hand in Berlin und Brandenburg abzuziehen – und sie stattdessen in anderen Bundesländern auszustellen.

Auch der Marburger Historiker Eckart Conze berichtete davon, wie Anwälte des Ururenkels des letzten deutschen Kaisers kritische Wissenschaftlerinnen, Wissenschaftler und Medien mit Abmahnungen überziehen. Streithafte Historikerinnen und Historiker wie Malinowski, Urbach oder Winfried Süß, Gutachterinnen, Gutachter, Journalistinnen, Journalisten sowie linke und grüne Parlamentarierinnen und Parlamentarier wurden parallel dazu mit Klagen und Strafanzeigen der Hohenzollern überzogen. Das überlastet nicht nur unsere Gerichte, dass stellt auch einen Angriff auf die Wissenschafts- und Pressefreiheit dar.

Dabei geht beim janusköpfigen Agieren der Hohenzollern natürlich nicht um Tradition oder angebliche Befleckung der Familienehre, es geht hier ganz profan ums schnöde Geld:  Die Hohenzollern haben bereits im Jahr 2017 im Auktionshaus Sotheby’s fünf Gemälde versteigern lassen und ein vergoldetes Trinkgefäß Friedrich I., das allein für 2, 6 Millionen Euro über den Tresen und somit nationale Grenzen wechselte.

Die Schamlosigkeit, mit der die Hohenzollern in den letzten Jahren ihr Haupt erheben, ist sinnbildlich für das rechte Gedankengut, das nicht zuletzt in Form der AfD die deutsche Demokratie von Innen auszuhöhlen versucht. Denn die Hohenzollern und ihre Unterstützerinnen und Unterstützer ebnen einem geschichtsverzerrenden Preußenbild den Weg. Und davon profitieren rechts-nationalistische Kräfte. Alexander Gauland (AfD) bezeichnete die Zeit des Nazi-Regimes  als „Vogelschiss“. Passend dazu fordert der kulturpolitische Sprecher der AfD im Bundestag, Marc Jongen, dass “die Verhandlungen mit dem Haus Hohenzollern, das auch viel für den Erhalt unseres kulturellen Erbes getan hat, zu Ende geführt werden und eine gütliche Einigung angestrebt werden sollte”. Dabei beruft er sich erneut auf Clarke und wirft den Linken vor, die “Nazikeule” einzusetzen.

“Keine Geschenke den Hohenzollern!” So heißt eine Volksinitiative der LINKEN Brandenburg. Vor ein paar Tagen hat sie die nötige Unterschriftenzahl erreicht, damit der Fall erneut im brandenburgischen Landtag verhandelt wird. Das zeigt auch: Wie mit den Forderungen der Hohenzollern umgegangen wird, geht nicht nur Politikerinnen, Politiker, Verhandlungsführer und Verhandlungsführerinnen in Geheimausschüssen an. Der Fall liegt im öffentlichen Interesse.

Auch die Fraktion DIE LINKE. im Bundestag fordert die Beendigung von Geheimverhandlungen und außergerichtlicher Absprachen und die Verhinderung der Herausgabe von im Inland befindlicher Kulturgüter an die Hohenzollern. Wir brauchen gesetzgeberische Maßnahmen, um weitere Forderungen ehemaliger Adelshäuser gegenüber der öffentlichen Hand zu unterbinden. Wir fordern daher vom Bund und den betroffenen Ländern, die Eintragung von strittigen Kunst-Objekten in das Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes zu beschleunigen. Damit wären Kunstschätze vor möglichem Ausverkauf geschützt und öffentliche Teilhabe in Museen, Schlössern und gesetzlich gesichert.

Der Artikel erschien zuerst am 27. März 2021 in der Reihe »meinungsstark« der freiheitsliebe. Link zur Erstveröffentlichung.