Sehr geehrter Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Dass sich heute ausgerechnet Rechtsradikale entblöden, von Bürgerrechten zu schwadronieren, das ist schon ein starkes Stück.

(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der AfD)

Und dass Sie es wagen, sich in die Tradition jener Menschen zu stellen, die damals auf die Straße gegangen sind, ist echt eine Unverschämtheit.

(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der AfD)

Sie arbeiten hier mit Lügen. Es ist gelogen, dass ein Schlussstrich gezogen werden soll, und Sie wissen das. Es ist auch gelogen, dass der Zugang zu den Akten erschwert wird, und auch das wissen Sie.

Wir befürworten die Überführung der Stasiakten ins Bundesarchiv.

(Lachen bei der AfD)

Allerdings werden wir uns trotzdem beim Gesamtpaket enthalten müssen. Ich sage Ihnen auch, warum.

(Zuruf von der CDU/CSU: Sie wollen die Akten vernichten!)

Das Problem ist, dass uns hier ein trojanisches Pferd präsentiert wird.

(Zuruf von der CDU/CSU: Ach!)

Wir debattieren über die Stasiakten, aber es geht um mehr.

(Tino Chrupalla [AfD]: Na?)

Es geht auch um die Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR, kurz SAPMO genannt. Ich zitiere – mit Ihrer Erlaubnis – Gregor Gysi:

(Lachen bei der AfD – Zuruf von der CDU/CSU: Das ist der Richtige!)

„Mich stört …, dass es ein zusammengefasstes Archiv unter dem Titel SED-Diktatur geben soll.“

(Jürgen Braun [AfD]: Der war nie bei der Stasi! Nie war der bei der SED!)

„Die Unterlagen der DDR-Behörden und der Parteien und Massenorganisationen der DDR sollen … alle in das frühere Zentralgebäude des Ministeriums für Staatsicherheit umgelagert werden. Man kann die DDR nicht auf die Staatssicherheit reduzieren.“

(Zuruf von der AfD: Oh!)

Und weiter:

„Die vorgeschlagene Bezeichnung ist … in Archiven nicht üblich. Die Unterlagen aus der Zeit der Nazi-Diktatur stehen nicht unter politischen Überschriften. Man verständigte sich darauf, dass es sich zum Beispiel um Unterlagen staatlicher Organe aus der Zeit von … bis … handelte.“

Hinzu kommt übrigens, dass die Menschen, deren private Nachlässe in der SAPMO liegen, nicht in die Überlegungen einbezogen wurden, was mit dem Material eigentlich passieren soll.

30 Jahre nach dem Fall der Mauer sollte es doch möglich sein, die Geschichte dieses Landes als gesamtdeutsche Geschichte zu behandeln.

(Beifall bei der LINKEN – Jürgen Braun [AfD]: Zu fälschen!)

Es ist doch nicht so, dass die DDR im luftleeren Raum existierte. Man muss doch Ursache und Wirkung mitdenken.

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da seid ihr aber die Falschen für!)

Man muss doch anerkennen, dass diese beiden Staaten aufeinander wirkten, dass also Entscheidungen auf der einen Seite zu Reaktionen auf der anderen Seite führten und umgekehrt.

(Hans-Jürgen Irmer [CDU/CSU]: Das sagen Sie mal denen, die eingekerkert wurden!)

Man kann doch nicht ausblenden, dass der Radikalenerlass zum Beispiel mit der DDR zu tun hatte

(Beifall bei der LINKEN)

oder dass in ostdeutschen Gefängnissen auch politische Gefangene billig produzierten – für den westdeutschen Markt.

(Christoph Bernstiel [CDU/CSU]: Das ist ja unglaublich!)

Zur Geschichte der DDR gehört auch die Geschichte der BRD. Das ist nicht zu trennen. Es wäre der richtige Weg,

(Christoph Bernstiel [CDU/CSU]: Die Stasi hat es nur gegeben, weil es die Bundesrepublik gab, oder was?)

die Akten zusammenzuführen und zeitlich einzuordnen. Das Problem ist doch, dass es allein durch die Mehrheitsverhältnisse im Land und in diesem Haus noch immer die Westdeutschen sind, die entscheiden, wie die Ostdeutschen mit ihrer Vergangenheit umzugehen haben.

(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was hat das jetzt mit dem Thema zu tun?)

Es ist aber nicht nur die Geschichte der Ostdeutschen; es ist auch die Geschichte der Westdeutschen.

(Beifall bei der LINKEN)

Hinzu kommt übrigens, dass westdeutsche Eliten auch die Forschung zu diesem Thema dominieren.

(Zurufe von der AfD)

– Als Ostdeutsche erwarte ich übrigens, dass Sie mir zuhören und dass Sie das, was ich gesagt habe, ernst nehmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir sind damals auf die Straße gegangen, damit man uns zuhört.

(Lachen des Abg. Dr. Alexander Gauland [AfD])

Die DDR-Eliten haben das am Ende getan. Wann fangen Sie damit an? Wann?

(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Die ganze SED war auf der Straße?)

Sie wollen sich in die Tradition dieser Menschen stellen.

(Dr. Alice Weidel [AfD]: Die ganze SED!)

Ich sage Ihnen, in welcher Tradition Sie stehen. Sie stehen in der Tradition derjenigen, die Brandsätze geworfen haben in bewohnte Häuser in Mölln, Solingen und Rostock-Lichtenhagen; da stehen Sie.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Stasiakte habe ich übrigens diese Woche gelesen. Die Lektüre war erschütternd; sie war auch spannend.

(Dr. Alice Weidel [AfD]: Spannend!)

Aber wenn Sie mehr wissen wollen, wissen Sie ja, wo Sie mich finden.

Vielen Dank.