Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Kommen wir zum Kulturhaushalt. Die Bundestagsdebatten zur Kultur gleichen inzwischen einem Theaterstück: zigmal geprobt, der Text sitzt, die Einsätze klappen, auf dem Papier ein Festspiel, in der Realität aber ein Gesellschaftsdrama.

Eine Kleine Anfrage von mir zu „Neustart Kultur“ hat ergeben – ich konnte die Antwort nur überfliegen; sie sollte gestern kommen, kam aber erst heute rein oder erreichte mich erst heute –, dass allein der Mehrbedarf in diesem Bereich bei über 1 Milliarde Euro liegt. Während die Bundesregierung die Coronaüberbrückungshilfen als Erfolg feiert, werden Tausende Soloselbstständige wegen Subventionsbetrugs angezeigt. In etwa 8 200 Fällen ermittelt der Zoll. Das ergab mein Gespräch mit Dr. Lutz, dem Vorsitzenden des Verbandes der Gründer und Selbstständigen Deutschland.

Die Betroffenen haben zum Teil unwissentlich fehlerhafte Angaben gemacht, weil das Bürokratiemonster überhaupt nicht zu bewältigen ist. Das Geld kommt nicht an, und wenn doch, dann reicht es hinten und vorne nicht, oder es wird der Lebens- und Arbeitswirklichkeit der Kultur- und Kreativbranche nicht gerecht, oder es wird zurückgefordert. Viele Soloselbstständige trauen sich überhaupt nicht mehr, Hilfen zu beantragen. Sie fordern und brauchen klare, nachvollziehbare, verlässliche monatliche Hilfen, die sich eben nicht jeden Monat ändern. Sonst wird nämlich die Novemberhilfe zum Aprilscherz;

(Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Wie lustig!)

so lange kann es uns ja noch beschäftigen.

Das Vorgehen der Finanzbehörden ist völlig unverhältnismäßig. Einem jungen Paar wurde die Wohnung gekündigt, weil ihr Bankkonto infolge des Betrugsverdachts gesperrt wurde. Selbst das Sparkonto eines dreijährigen Kindes wurde gesperrt. Dramen spielen sich ab, die Verzweiflung wächst, und die Veranstaltungsbranche pfeift buchstäblich auf dem letzten Loch.

Die wesentlichen Ursachen dafür, dass die Kultur- und Kreativbranche so existenziell getroffen ist, entstanden nicht durch die Coronapandemie; sie waren schon vorher da. Dass zum Beispiel die Vergabe von Fördergeldern nicht an soziale Standards gekoppelt ist, ist ein Skandal.

(Beifall bei der LINKEN)

Die soziale Lage von zahllosen Künstlerinnen und Künstlern war schon vor Corona bescheiden, und wer vorher kaum was hatte, der geht jetzt unter. Der Verweis auf Hartz IV ist ein Hohn und wird auch als solcher empfunden – es sei denn, Sie stimmen dem Entschließungsantrag meiner Fraktion zu, in dem wir eine sanktionsfreie Grundsicherung mit höheren Regelsätzen für alle darauf Angewiesenen fordern.

(Beifall bei der LINKEN)

Wann kommt endlich die wirklich unbürokratische Hilfe für Soloselbstständige? Wann kommt endlich der von uns seit Monaten geforderte fiktive Unternehmerlohn? Der vorliegende Kulturhaushalt ist gut gemeint; aber er gibt keine Antworten auf die Fragen zur sozialen Absicherung, zu Diversität, zu Geschlechtergerechtigkeit, und er wird der dramatischen Situation nicht gerecht.

Stimmen Sie am Freitag unserem Entschließungsantrag zu, damit nicht am Ende aus dem Drama eine Tragödie wird! Der zu befürchtende Kulturverlust wäre ein sehr, sehr schwer wiedergutzumachender Schaden für die Menschen und vor allen Dingen für die Demokratie.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)