Sehr geehrter Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Und an der Stelle muss auch sein: Lieber Hartmut! Vom große Anerkennung genießenden Sozialphilosophen Oskar Negt stammt der Satz – ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis –:

„Eine demokratisch verfasste Gesellschaft ist die einzige Gesellschaftsordnung, die gelernt werden muss, alle anderen Gesellschaftsordnungen bekommt man so.“

Der Mann hat recht; denn Demokratie heißt eben nicht, dass sie da ist und fertig. Sie muss gehegt und gepflegt werden. Sie muss immer wieder auf den Prüfstand; denn die Gesellschaft verändert sich.

Und dann fragt man sich: Demokratie, was ist das eigentlich?

(Zuruf von der AfD: Volksentscheid!)

Je nach Fraktion ist unser Demokratiebegriff wahrscheinlich auch ein bisschen unterschiedlich an der einen oder anderen Stelle. Und dass die Herrschaften von rechts gerne eine völkische Demokratie hätten,

(Lachen bei der AfD – Dr. Götz Frömming [AfD]: Was heißt völkisch?)

in der Biodeutsche, bevorzugt Männer, das Sagen haben, ist auch klar. Dass es dann aber keine Demokratie mehr wäre, das wissen wir natürlich.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Zuruf von der AfD: Das wissen Sie!)

Was aber gehört zu einer Demokratie? Freie Wahlen natürlich, das aktive und das passive Wahlrecht und, dass nicht nur die, die es sich leisten können, in Parlamenten landen. Deshalb wurde übrigens in der Weimarer Reichsverfassung die sozialdemokratische Forderung nach Diäten umgesetzt – die Diäten, die heute so umstritten sind –, eine Forderung, die sicherstellen sollte, dass auch Menschen ohne großes Vermögen in Parlamente einziehen. Denn wirklich demokratische Verhältnisse haben wir nur dann, wenn sich alle Teile der Bevölkerung in den gewählten Institutionen wiederfinden. Denn nur so ist gesichert, dass auch ihre Themen und ihre Perspektiven eine Rolle spielen in der politischen Willensbildung. Und wenn ich mich dann hier umschaue, ist da noch deutlich Luft nach oben. Die Zahlen belegen das.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Ulli Nissen [SPD])

In der öffentlichen Anhörung wurde deutlich, dass die Idee einer Stiftung zur Förderung der deutschen Demokratiegeschichte nicht schlecht ist, aber die Frage ist wie immer: Wie wird sie umgesetzt? Dass es Orte gibt, an denen die Demokratie geboren wurde, und solche, an denen sie entwickelt und verteidigt wurde, ist ja Menschen geschuldet; diese müssen also in den Mittelpunkt. Erst wenn sie im Mittelpunkt dieser Geschichten stehen, dann wird Geschichte aus dem Abstrakten ins Greifbare gehoben. Insofern finden wir die Grundidee zwar richtig, den im Koalitionsgesetzentwurf skizzierten Ansatz aber nicht. Deshalb werden wir uns enthalten.

Auch der Antrag der FDP würde zwar Verbesserungen bringen, aber er geht uns nicht weit genug. Auch hier enthalten wir uns.

Unsere Sorge ist, dass die Fördergelder am Ende in Bauten fließen, in staatliche Institutionen. Demokratie wird aber nicht einzig von Politikerinnen und Politikern sowie Institutionen gestaltet; sie wird entwickelt, gelebt, vorangebracht, auch und ganz besonders von sozialen Bewegungen und zivilgesellschaftlichen Initiativen.

(Karsten Hilse [AfD]: Die werden schon genug gefördert!)

Zivilgesellschaftliches Engagement ist sozusagen das Lebenselixier der Demokratie.

Der Zweck der Stiftung darf also nicht sein, dass wir uns am Ende alle auf die Schulter klopfen und Denkmäler haben. Der Zweck muss sein, dass wir den kommenden Generationen Geschichten erzählen, dass Demokratie immer schon erkämpft, verteidigt und gestaltet wurde und dass dieser Kampf um und für die Demokratie niemals enden darf.

Ein letzter Satz sei mir gestattet. Lieber Hartmut Ebbing, es war deine letzte Rede. Ich habe die Arbeit mit dir im Kulturausschuss und auch den guten Austausch wirklich geschätzt. Es war ein gutes Gefühl, auf Augenhöhe miteinander Dinge zu diskutieren, andere Ansichten zu haben, aber auch voneinander zu lernen. Insofern war es schön, dich hier zu haben. Ich hoffe, ich bin wieder dabei. Du wirst fehlen. Aber schau einfach vorbei, dann sehen wir uns wieder. – Tschüs!

(Beifall bei der LINKEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)