Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Für mich ist es fast wie ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk, dass wir heute als Linke einem Antrag zustimmen können, der genau das Thema berührt, das mich vor meiner Zeit im Bundestag leidenschaftlich beschäftigt hat. Ich war nämlich in meinem vorhergehenden Beruf Verlegerin und habe unter anderem die Ehre gehabt, Werke von Franz Josef Degenhardt, jüdische Literatur von Irene Runge und das letzte, sehr persönliche, kleine Buch von Hermann Kant zu veröffentlichen.

Da war es natürlich naheliegend, dass ich als Kulturpolitikerin für meine Fraktion das erste Fachgespräch für Verlegerinnen und Verleger, nämlich für die von unabhängigen Verlagen, organisiert und dazu am 18. Juni eingeladen habe. Wie besorgt die Branche ist, zeigte sich an der Beteiligung: Mehr als 60 Akteure sind meiner Einladung gefolgt, und es kamen auch – dafür bedanke ich mich – zwei Vertreter aus dem BKM und haben fleißig mitgeschrieben.

Kurz zuvor, im Mai, hatte die von der Bundesregierung damit beauftragte Monopolkommission ihr Sondergutachten veröffentlicht. Ihre Empfehlung: Die Buchpreisbindung kann, nein, soll sogar weg. Die wesentliche Begründung: Die Buchpreisbindung stellt einen schwerwiegenden Markteingriff dar. – Ich dachte damals: Verdammt, jetzt geht es meinen Kolleginnen und Kollegen endgültig an den Kragen. – Die Branche kämpft nämlich schon lange und in den letzten Jahren zunehmend mit den Veränderungen. Viele Buchhandlungen mussten aufgeben, der Platz in Feuilletons schrumpft, die Digitalisierung sorgt für Rechtsunsicherheit, die Branche hat es schwer.

Natürlich ist hier das VG-WORT-Urteil zu nennen, das aus der Sicht der schreibenden Zunft zwar unbedingt zu begrüßen ist, aber die verlegende Zunft hart getroffen hat. Nicht wenige unabhängige Verlage warfen das Handtuch, andere schafften es nur mit sehr viel Mühe und mit einem ohnehin vorhandenen Übermaß an Selbstausbeutung, diesen Schlag zu überleben.

Immerhin führte das Urteil dazu, dass im BKM sehr ernsthaft über eine Förderung für Verlage nachgedacht wird. Der angekündigte Deutsche Verlagspreis – er soll im nächsten Jahr zum ersten Mal vergeben werden – ist ein erster guter Schritt, aber er kann nur ein Anfang sein.

Britta Jürgs, die Vorsitzende der Kurt Wolff Stiftung und auch Verlegerin, erklärte in dem besagten Fachgespräch:

„Wir brauchen regelmäßige, dauerhafte, nachhaltige Förderung, um die Kultur der kleinen Verlage zu erhalten.“

Ich kann mich ihr da nur anschließen.

(Beifall bei der LINKEN)

Allerdings teile ich nicht ihre Auffassung, dass es sich um kleine Verlage handelt. Es sind unabhängige große Verlage. Gregor Gysi ist ja auch nicht klein, sondern kurz.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN und der SPD – Reinhard Houben [FDP]: Den Witz habe ich jetzt nicht verstanden!)

– Ich kann Ihnen das erklären: Gregor Gysi ist ein großer Mann, der ein wenig kurz geraten ist. Unabhängige Verlage sind nicht klein, sondern groß, weil sie Großartiges leisten. Jetzt verstanden?

(Reinhard Houben [FDP]: Ja, danke, Frau Kollegin!)

– Super. Es ist ja auch Freitag, ein bisschen spät. Ich verstehe das.

(Michael Theurer [FDP]: Spät?)

Wir haben uns natürlich auch im Kulturausschuss mit dem Gutachten befasst, und ich habe mit großer Erleichterung feststellen können, dass man da meine Einschätzung teilt, nämlich dass die Abschaffung der Buchpreisbindung nicht nur falsch wäre, sondern ein die Branche ernsthaft gefährdender Akt. Wer wie die Monopolkommission nur in der Marktlogik denkt und deshalb von einem schwerwiegenden Markteingriff spricht, der denkt nicht nur zu eng, sondern vor allem viel zu kurz. Denn die Buchpreisbindung ist es doch, die Marktvielfalt – auf die kommt es hier ganz besonders an – überhaupt ermöglicht. Durch die Buchpreisbindung liegt die Verhandlungsmacht bei den Verlagen, nicht bei den Grossisten. Nur so können es sich unabhängige Verlage überhaupt leisten, sich gerade den Titeln zu widmen, die wir so sehr brauchen. Ich bin sicher, darunter gibt es auch solche, die den Horizont der Verfasserinnen und Verfasser des Gutachtens deutlich erweitern könnten.

In Deutschland existieren etwa 3 000 Verlage. Nur 20  Prozent davon vereinigen heute bereits 70 Prozent des Marktes auf sich. Unter den 80 Prozent der Verlage, die also 30 Prozent des Marktes mit Leben füllen, agieren genau die, die die Vielfalt gewährleisten.

Mit der Einführung der Buchpreisbindung für E‑Books „setzt die Bundesregierung ein wichtiges Zeichen“, so Heinrich Riethmüller, Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Einig mit dem Börsenverein sind sich auch die großen Verbände der schreibenden Zunft, also der PEN und der VS – nicht zu verwechseln mit dem Verfassungsschutz –, der Verband deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller: Die Buchpreisbindung muss erhalten bleiben.

(Beifall bei der LINKEN)

Es sind aber nicht nur die Verlage, die von der Buchpreisbindung profitieren. Es ist auch und gerade der unabhängige Buchhandel, der mindestens genauso schwer zu kämpfen hat. Auch hier wird mit einem hohen Maß an Idealismus gearbeitet und ums Überleben gekämpft – aus Idealismus, aber auch aus einem Verantwortungsgefühl für die Gesellschaft, gerade in diesen Zeiten der Fake News, in denen Aufklärung so sehr nottut, in denen man Vielfalt so sehr begrüßen muss.

Wer also profitiert? Die Monopolkommission sagt, der Markt sei es nicht. Das finde ich gut. Es sind die, die Bücher schreiben, es sind die, die lektorieren, übersetzen, die Bücher in Form bringen, es sind die, die Bücher verlegen, die Bücher vertreiben, und natürlich ganz besonders die, die die Bücher dann lesen, daraus lernen, sich unterhalten lassen, ihren Horizont erweitern oder einfach glücklich in fremde Welten eintauchen.

Es ist aber nicht so, dass die Buchpreisbindung lediglich hier in Deutschland erhalten bleiben muss. Lassen Sie uns gemeinsam mit Verbänden und Organisationen der Schriftstellerinnen und Schriftsteller, der Verlage und des Buchhandels versuchen, mit allen Akteuren der Branche eine europäische Bewegung für die Buchpreisbindung zu initiieren. Denn die negativen Folgen, die hier zu erwarten wären, sind andernorts schon Realität.

Außer einer solchen europäischen Initiative braucht es aber vor allem die Gewissheit, dass zukünftige internationale Verträge die Regelung nicht verwässern oder gar schleifen werden. Deshalb sage ich auch hier und heute: Kultur gehört als Staatsziel ins Grundgesetz.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Katrin Budde [SPD])

In diesem Sinne: Frohes Fest und einen guten Rutsch – oder, wie man bei uns in Franken sagt, einen guten Beschluss!

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Katrin Budde [SPD])