Sehr geehrte Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben dem Antrag der Grünen, zu dem ich gleich kommen werde, unseren Antrag „Strikte Zweckbindung für Corona-Gästelisten“ beigelegt, weil es ein Skandal ist, dass es bisher keine bundesweit einheitliche Regelung für die Anwesenheitsdokumentation gibt – keinen Datenschutz, keine Rechtssicherheit. Das brauchen wir aber. Deshalb: Stimmen Sie zu.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Marcel Klinge [FDP])
Zum Antrag der Grünen zur Veranstaltungswirtschaft in der Coronakrise. Um das unsägliche Bild vom Kollegen Scholz zu bemühen: Ihrer Bazooka fehlte offenbar das Zielfernrohr. Eine ganze Branche ruft unter dem Motto „Alarmstufe Rot“ verzweifelt um Hilfe.
(Zuruf des Abg. Reinhard Houben [FDP])
– Hat mir gerade jemand erzählt, dass da kein Zielfernrohr draufgehört? Sie kennen sich mit Waffen aus, oder was?
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Kein Zielfernrohr, hat er gesagt!)
Gebetsmühlenartig fordert Die Linke seit Beginn der Pandemie Lösungen, die der Wirklichkeit der Branche gerecht werden. Es ist doch überhaupt nicht einzusehen, dass zum Beispiel Reisebüros Hilfe bekommen, Künstler und Konzertagenturen aber nicht.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Betroffen von den Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung sind Soloselbstständige genauso wie kleine und mittlere Unternehmen, aber auch große Firmen, die zum Beispiel Messen ermöglichen. Und: Die Veranstaltungsbranche ist nicht von der Kultur- und Kreativwirtschaft zu trennen. Das Programm „Neustart Kultur“ wird gerade zum Rohrkrepierer. Dass die Wirtschaftshilfen entweder nicht reichen oder gar nicht greifen, hat inzwischen offenbar sogar Herr Altmaier begriffen.
Dass die sogenannte vereinfachte Grundsicherung nicht taugt, möchte ich hier noch einmal betonen. Sie ist weder einfach noch sichernd. Das ist vielfach belegt. Wir alle kennen die emotionalen Hilferufe der Betroffenen.
Der Markt für gebrauchte Musikinstrumente und Veranstaltungstechnik ist mittlerweile überschwemmt. Die Leute versilbern ihre Lebensgrundlage, um überleben zu können. Das kann doch nicht wahr sein. Wie hieß es im April? Niemand wird vergessen werden. – Und so viele wurden doch vergessen.
Die Veranstaltungsbranche hat geliefert. Es liegen gute Hygienekonzepte auf dem Tisch. Trotzdem müssen Theater und Kinos schließen. Aber Shoppingmalls dürfen offen bleiben. Die Menschen dürfen am Fließband stehen, aber nicht mit Abstand im Kino sitzen. Das kann doch nicht Ihr Ernst sein! Das spricht doch Bände. Wie wäre es denn mit Konsumverzicht statt verordnetem Kulturverzicht? Aber genau hier zeigt sich die so gern bemühte Systemrelevanz: Systemrelevant ist demnach, was schnellen Profit bringt. Die Veranstaltungsbranche, die auch ein Wirtschaftsfaktor ist, ist aber vor allen Dingen demokratierelevant. Wir brauchen auch in Zukunft Buchmessen genauso wie Mittelaltermärkte, Theater genauso wie Kongresse.
Diese Branche ist in einem Ausmaß miteinander verzahnt, dass alles, was wegbricht, ganz viel mit sich reißt. Und ganz ehrlich: Die Leute sind so verzweifelt – ich könnte verstehen, wenn sie ihre Theater offen lassen und zivilen Widerstand leisten. Ich weiß nicht, ob ich es richtig fände; aber ich könnte es verstehen.
Die Frage ist doch nicht nur, wie wir jetzt durch die Krise kommen. Die Frage ist doch auch: In was für einer Gesellschaft leben wir danach? In einer ohne Kultur? Da wird mir angst und bange. Auch deshalb noch einmal hier: Wir brauchen Kultur als Staatsziel im Grundgesetz, und wir müssen darüber reden, was wir uns leisten können und was nicht.
Ich sage Ihnen: Wir können uns den Zusammenbruch dieser Branche nicht leisten.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)