Sehr geehrte Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Als wir im Mai 2019 im Ausschuss für Kultur und Medien mit dem Präsidenten des Bundesarchivs, Dr. Michael Hollmann, mit dem Bundesbeauftragten der Stasiunterlagen der ehemaligen DDR, Roland Jahn, und mit dem Vorsitzenden des Beirats beim BStU, Jörn Mothes, über das Konzept zur Eingliederung der Stasiakten ins Bundesarchiv diskutierten, betonte Dr. Hollmann – ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis –: Genau dorthin gehören sie angesichts ihrer historischen Bedeutung und des Willens des Gesetzgebers. – Jörn Mothes unterstrich, dass es nicht darum ginge, einen Schlussstrich zu ziehen, sondern es ginge um die Herstellung von Normalität. Roland Jahn sprach von einer Brücke in die Zukunft. Und genau um das alles geht es.

Meine Fraktion begrüßt die Eingliederung der Akten ins Bundesarchiv.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Gitta Connemann [CDU/CSU] und Martin Rabanus [SPD])

Die Sorge, dass der Zugang zu den Stasiakten für Betroffene, also für Bespitzelte usw., erschwert werden könnte, ist ausgeräumt. Ich habe daran übrigens auch ein persönliches Interesse: Ich habe im letzten Jahr erst meine Stasiakte beantragt. Da bin ich geführt als: subversiv-dekadente Jugendliche mit Hang zum Pazifismus. – Nichts, wofür man sich schämen muss, finde ich.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Thomas Hacker [FDP] – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wird schon etwas dran sein!)

In Zukunft wird der Zugang vielleicht sogar noch besser; denn wer einmal mit dem Bundesarchiv zusammengearbeitet hat, der weiß, wie professionell, unaufgeregt, sachlich im besten Sinne und wie verantwortungsvoll das Archiv mit seinen Akten umgeht.

Wir schließen heute einen langen Diskussionsprozess ab. Ich möchte mich an dieser Stelle auch bei all meinen demokratischen Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss für die guten Diskussionen bedanken. Wir diskutierten auf Augenhöhe, wir hörten einander zu, wir taten das mit Respekt. Das ist bei diesem Thema nicht immer selbstverständlich gewesen.

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Gern geschehen!)

– Ich sprach von den demokratischen Fraktionen. – Das ist bei diesem Thema, wie gesagt, nicht immer selbstverständlich gewesen. Ich bin gespannt, ob diese Debatte so bleibt; ich fände das toll.

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Christian Petry [SPD])

Der Diskussionsprozess ist also abgeschlossen. Aber – so Dr. Hollmann ganz richtig in der öffentlichen Anhörung vor zwei Wochen – wir stehen eigentlich am Beginn. Der Transformationsprozess wird intensive Begleitung brauchen. Viele Bedarfe werden erst bei der Arbeit sichtbar werden.

Immer wieder betonte ich, dass wir die gesamtdeutsche Geschichte erzählen müssen; auch das war im Ausschuss oft Thema. Denn die DDR existierte eben nicht im luftleeren Raum.

Und noch was ist wichtig: Die Fokussierung auf Täter und Opfer, auf Stasi und SED ist hinderlich, wenn man die DDR verstehen möchte. Wer verstehen möchte, muss sich den Alltag anschauen; der muss wissen wollen, wie wir gelebt und geliebt haben; der muss auch um die kleinen Widerstände wissen; der muss begreifen wollen, welche Freiräume wir uns erkämpft haben. Denn viele, die heute gemeint sind, wenn man von Opfern spricht, würden sich selbst nicht als Opfer bezeichnen, eher als Opposition, als Betroffene, als Gegner, als Verfolgte, als progressiv oder einfach als renitent.

(Beifall bei der LINKEN)

Es gibt viele, viele Facetten, die anzuerkennen sind.

Ich glaube, dass dieser Archivstandort zur Geschichte der DDR, der jetzt entstehen wird und eben nicht nur die Akten von Stasi und SED, sondern auch Verwaltungsakten, Nachlässe, das Archiv der DDR-Opposition und auch die Akten der Stasiunterlagenbehörde, der Aufarbeitung also, enthalten wird, dabei helfen wird, einen größeren, einen weiteren Blick auf die Sache zu bekommen. All diese Akten werden gleichberechtigt nebeneinanderstehen unter einem neutralen Titel, und das ist gut und richtig. Wie gesagt: Es weitet den Blick.

(Beifall bei der LINKEN)

Leider lässt der Gesetzentwurf offen, wie die Forschung zur DDR insgesamt in der Zukunft unterstützt und ermöglicht werden soll. In § 32 des Stasi-Unterlagen-Gesetzes wird Forschung nach wie vor auf Stasi und SED verengt. Es wäre ein Leichtes gewesen, hier eine andere Formulierung zu finden, die klarmacht, dass es um mehr geht und gehen muss. Wichtig wäre uns, dass nicht nur Projekte gefördert werden, sondern dass die Forschung verstetigt wird. Ein Lehrstuhl wäre eine super Möglichkeit – natürlich in den neuen Ländern, am besten eine Frau, und zwar eine aus dem Osten.

(Beifall bei der LINKEN – Christoph Bernstiel [CDU/CSU]: Am besten in Leipzig!)

Dass es in Zukunft einen Opferbeauftragten oder eine Opferbeauftragte geben soll, ist prinzipiell richtig. Allerdings ist der Begriff natürlich missverständlich; denn um die Belange der Betroffenen kümmern sich ja die Beauftragten in den Ländern. Die machen eine gute Arbeit. Es handelt sich ja eigentlich um eine Koordinierungsstelle, die den Belangen der Opfer in diesem Hause Geltung verschaffen soll, die die Länder und die Verbände bei ihrer Arbeit unterstützen soll. Eine Ombudsstelle wäre vielleicht doch besser gewesen; denn so besteht, glaube ich, die Gefahr, dass der oder die Opferbeauftragte falsche Erwartungen weckt. Aber in der Sache finden wir das richtig.

(Beifall bei der LINKEN)

Eine große Leerstelle ist die Kostenfrage. Der Gesetzentwurf tut so, als wäre die Eingliederung der Akten kostenneutral. Es kommen aber Aufgaben auf das Bundesarchiv zu, die ohne Mittelerhöhung nicht zu schaffen sein werden. Noch immer sind Schnipsel nicht zusammengesetzt, die Akten müssen konserviert werden, die Digitalisierung wird eine Mammutaufgabe, Baumaßnahmen werden nötig sein. Man kann sich um die Kostenfrage nicht drücken.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben keinen Grund gefunden – und das finde ich wirklich gut –, gegen diesen Antrag zu sein. Wegen der Leerstellen – Kosten, Forschung usw. – wird sich meine Fraktion enthalten. In der Sache aber stimmen wir Ihnen grundsätzlich zu.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Katrin Budde [SPD])